Das Restaurant unten im Haus, zwei Schritte vom Pantheon entfernt, ist sein Salon. Das echte Heim hingegen ist eine Zweizimmerwohnung im letzten Stockwerk, die ihn seit 12 Jahren beherbergt wie ein Nest. Alessio Boni, Schauspieler, 44jähriger mit blauen Augen, denkt nicht wirklich daran, sich eine größere Wohung zu nehmen:“ Ich sehe nicht ein, warum ich umziehen sollte, nachdem ich jahrelang herumgezogen bin, habe ich dieses Refugium gefunden und ich kann mir keinen anderen Ort vorstellen, außerdem bin ich immer außer Haus um zu arbeiten und wenn ich jemanden treffen muss, dann geht das ausgezeichnet in diesem Restaurant. Falls überhaupt, hat er andere Wünsche: „Mein Fieber ist, ein besserer Mensch zu werden als der, der ich heute bin.“ Er kommt außer Atem an, Jacke über den Schultern, nachtblaues Hemd, die Kellner nennen ihn Alessio, sie begrüßen ihn wie einen Sohn und wissen, was er essen wird. Kurzum, Alessio Boni, Brescianer (? ?Anm. d. Übers.: hier irrt die Dame, Villongo gehört zur Provinz Bergamo)aus Villongo, scheint ein Römer in Rom geworden zu sein: „Ich komme gerade aus der Toscana und morgen bei Tagesanbruch fahre ich wieder ab, mein Leben ist das eines Zigeuners und deshalb brauche ich einen Fixpunkt.“ Zwischen seinem 14. und 25. Lebensjahr war er unterwegs zwischen Brescia, Amerika, Mailand und Rom, er war Fliesenleger, Babysitter, Animateur, Botenjunge, Darsteller in Fotoromanen und Polizist. „Ich habe zwischen tausend Berufen gewechselt und vor allem meine Herkunft aus dem Proletariat hat mir die Sicherheit gegeben, dass, wenn mir etwas passieren sollte, ich immer noch zurückkehren und als Kellner arbeiten kann.“ Vor allem an Willen hat es Alessio Boni nie gefehlt. „ Ich habe mit 14 begonnen, mit meinem Vater in die Fabrik zu gehen, der Fliesenleger war und besuchte die Abendhandelsschule. Und natürlich gefiel es mir nicht, als Fliesenleger zu arbeiten und noch weniger, Buchhaltung zu lernen. Ich schämte mich dann verglichen mit denen, die von Gymnasium kamen, aber jetzt habe ich erkannt, dass die Familie hat meine Stärke gewesen ist. Wie Roberto Benigni es einmal gesagt hat, „ ich danke meinen Eltern, weil sie mich die Armut haben kennen lernen lassen.“ Der junge Boni war ein unruhiger Geist. Mit einem einzigen Fluchweg: einer heruntergekommenen Vespa. „Ich tauchte stundenlang auf meinen zwei Rädern unter bis ich verstanden hatte, dass ich das nicht länger machen wollte und bewarb mich bei der Polizei. Dort blieb ich 1 ½ Jahre, bis mich der gleiche Wille zu entkommen wieder packte und ich nach Amerika ging“. In den USA hat er gelernt sich durchzuschlagen: „Ich bin vor nichts zurück geschreckt, ich war Tellerwäscher, wieder Babysitter und Austräger der Morgenzeitung. Es gelang mir nicht, meinen Weg zu finden und so bin ich nach Brescia zurückgekehrt, wo die Meinen mich immer argwöhnischer betrachteten. An diesem Punkt hat ihn, wie es oft vorkommt, der Zufall gerettet. „Ich habe eine Annonce für Animateure in einem Touristendorf gelesen und bin Richtung Meer abgereist“. Jene Abende waren sein erster Eintritt in die Welt der Unterhaltung.“ Irgendwem war ich aufgefallen und er hatte mir das Centro Sperimentale empfohlen, so habe ich einen Lebenslauf geschickt und , bei der ersten positiven Antwort bin ich in Rom eingetroffen nach einer fatalen Talfahrt von Villongo im Panda. Das Auswahlverfahren sah die Auswahl von 10 Kandidaten vor, ich wurde natürlich 11. In der Kommission waren Giulietta Masina und Luigi Comencini, mir war schlecht vor Aufregung, und, kaum dass ich den Mund aufgemacht hatte, frage er mich: „Bergamo oder Brescia?“ Ich stand vor dem Zusammenbruch. Und als ob das nicht reichen würde, habe ich mich auch noch vorgestellt, indem ich einen Dialog zwischen einem Paar präsentierte, ohne daran zu denken , dass mir jemand als Partner fehlte.“. Ungeachtet dieser Anfänge hat Alessio Boni Rom nie mehr verlassen. Es gab etwas in dieser Stadt, dass ihn überzeugte, sich dort anzusiedeln: „In den ersten Tagen habe ich mich für 50000 Lire im Monat in einem Sportstudio eingeschrieben, um dort zu duschen und nachts schlief ich im Auto. Dann haben wir zu fünft eine Wohnung genommen und dort bin ich jahrlang geblieben. Eines Abends hat mich ein Freund ins Theater eingeladen, um La gatta cenerentola anzuschauen, und das war Liebe auf den ersten Blick. Ich dachte vier Stunden lang, dass ich nur das machen wollte.“ Nachdem er das Auswahlverfahren für die Privatschule des Alessandro Fersen durchlaufen hatte und Übungen machte, den verflixten Dialektakzent loszuwerden, beschloss er, sich erneut zu bewerben. Er versuchte es an der Accademia nazionale d'arte drammatica und wurde diesmal im ersten Anlauf genommen.“Ich hatte große Lehrer von Ronconi bis Stehler. Mit Strehler zu arbeiten war ein großes Glück, Dank ihm verstand ich die Dinge, trat ein in die Codices und plötzlich wurde ich frei. Auch heute bin ich ein Handwerker des Wortes und versuche, wenn ich mich ausdrücke, das Publikum zu berühren.“ Mit 29 betrat Alessio Boni die Bühne, um „Der Geizige“ von Molière zu spielen. „ Dass ich die richtige Wahl getroffen hatte, wurde mir ganz klar, als ich merkte, dass das Wort begann, eine Dringlichkeit des Fleisches zu werden“. Das Theater hat ihm unvergessliche Begegnungen geschenkt. „Mastroianni und Gassman waren groß, aber nie kühl: um ein guter Schauspieler zu sein mußt Du Dich sensibilisieren und die Kunst kennen. Wer spielt muss wissen, wie man das Leben betrachtet und dann verstehen, es in Szene zu setzen.“ In der Freizeit las er alles Mögliche, natürlich mit lauter Stimme, um die Aussprache zu verbessern: die Russen, Dante, Leopardi. Dann, nach dem Theater, näherte er sich dem Fernsehen mit dem Krimi „La donna del treno“. „Das Fernsehen ist ein großer Kessel, in dem man alles finden kann, auch wunderschöne Sachen. Ich habe zum Beispiel nichts gegen die Reality, aber es ist nicht richtig, dass es nur solche gibt, weil alle mit einem Klick aus einem gemischten Angebot auswählen können sollten.“ Dann ist er im Kino angekommen. Io sono qui von Liliana Cavani, Senza paura von Stefano Calvagna, La bestia nel cuore von Cristina Comencini, Arrivederci amore ciao von Michele Soavi , aber vor allem La meglio gioventù von Marco Tullio Giordana. Das ist der Film, durch den sich seine Perspektive geändert hat. „Für einen Schauspieler ist es ein Unterschied, ob man dich anruft, um Dir Probeaufnahmen vorzuschlagen oder ob Du Dich bewirbst. Ich habe ausgezeichnete Freunde, die noch heute gezwungen sind. , für eine Rolle anzustehen. Leider werden die Schlitzohren den Guten oft vorgezogen.“ 2003 nahm er sich eine 5jährige Zwangspause vom Theater. „Wenn Du viel Kino machst, kannst Du die Dinge nicht unter einen Hut brigen, das Theater absorbiert Dich kontinuierlich, aber 2008 überkam mich ein großes Verlangen, auf die Bühne zurückzukehren und die Gelegenheit kam Dank des Regisseurts Roberto Andò und „Il Dio della Carneficina“ und ich war zwei Jahre mit Silvio Orlando und Anna Bonaiuto auf Tournee.“ Das Theater würdigt mehr als andere Dinge die Unmittelbarkeit der Beziehung mit dem Betrachter. „Wenn Du ihnen nichts zu Trinken gibst und Dich mit der ganzen Seele dahinter stellst, nimmt das Publikum es wahr. Das was Du aussähst, bleibt: Schauspieler zu sein ist nicht wie Tänzer oder Fußballer, Du kannst mit 80 Jahren genauso Zufriedenheit erreichen wie mit 40.“ Für Boni liegt der Schlüssel zu seiner Arbeit ganz in einem Satz Goethes: „Ich wünsche mir, dass die Bühne eng/schmal sei wie das Seil eines Seiltänzers, aufdass kein Unfähiger sich dorthin wagen möge“ (Anm. d. Übers.: Goethe möge mir verzeihen, ich krieg es nicht besser). Zwischen dem ersten und dem zweiten Hauptgang kommt der Kellner und nimmt ihn auf den Arm: „Endlich ißt er mit einer Frau...Der ist immer allein oder kommt höchstens mit Bin Laden.“. Boni lacht herzlich. „Bin Laden ist einer meiner besten Freunde, ein Schauspieler mit Bart, einer von denen die heute wegen Proben anstehen. Hoffen wir, dass es gut geht.“ Sein Telefon klingelt und er entschuldigt sich , aber man versteht, dass er sich über das Telefonat freut: „In Kürze muss ich gehen, denn ich bin nach Rom gekommen, um Margarethe von Trotta zu treffen. Wir drehen zusammen „Il viaggio di Teresa“, einen Film, in dem ich die Rolle eines Arztes spielen soll, der seiner Frau gegenüber psychische Gewalt ausübt.“ Alessio Boni jagt dem Erfolg nicht nach. In der Tat. „Wenn man mir etwas von Qualtität vorschlagen würde aber ohne Erfolg, würde ich dennoch ja sagen, aber wenn Sie mir 30 Folgen von etwas vorschlagen würden, was mir nicht gefällt, aber meinen Kredit zahlen lassen würde, würde ich nein sagen. Ich leide nicht unter dem Verhältnis zum Geld, denn ich habe in meinem Leben immer verdient. Alle glauben immer, dass Fliesenleger ein Beruf für arme Schweine ist, aber trotzdem kann man auch fünf Millionen Lire im Monat verdienen.“ Das große Publikom hat ihn in der verzweifelten Rolle des Matteo Carati, dem geplagten Hauptdarsteller aus Meglio Gioventù sehr geliebt. Denjenigen, der sich an irgendeinem Silvesterabend aus dem Fenster stürzt. „ Als ich die Probeaufnahmen machte, habe ich gleichzeitig gelacht und geweint, MTG war besorgt, dass ich vielleicht nicht wissen würde, wie man einen Polizisten darstellt, aber als ich ihm gesagt habe, dass ich 1 ½ Jahre bei der Polizei gewesen bin, hat er mich umarmt. Seit einem Jahr hatte ich eine kleine Depression gehabt und vielleicht habe ich in Matteo diesen Teil von mir selbst gelegt. Wahrscheinlich gibt es in jedem Schauspieler, wie in jedem Künstler, eine Komponente der Qual, sonst hätten wir etwas anderes gemacht.“ Wenn es ihm schlecht ging, hat er großen Trost bei seinem jüngeren Bruder gefunden. Er heißt Andrea und ist Priester. Mit ihm spricht er gern, weil, so sagt er, dieser ein offener Typ sei. Er diskutiert auch gern mit Freunden, die, auch wenn er sie manchmal 2 Jahre lang nicht sieht, immer da sind. Im Übrigen ist AB kein mondäner Mann. „In jene Salons zu gehen, ich weiß nicht... Daran ist nichts Schlechtes, aber ich ärgere mich und es scheint mir eine Zeitverschwendung. Gerade habe ich einen Bauernhof in der Toskana gekauft und wenn ich Freizeit habe, fahre ich gerne hin, sammle Pilze,, beschäftige mich mit dem Garten und dem Holz, bin bei den Bauern und denke an die Renovierungsarbeiten.“ Gefühlsmäßig ist er ein Rastloser und von seinem Privatleben spricht er nicht und spricht man nicht. Ein Kind hätte er gerne, ohne zu zögern: „Wir sind alle zu sehr auf uns konzentriert. Wenn die richtige Person kommt um ein Kind zu haben wird Deine Aufmerksamkeit auf das rechte Maß zurückgeführt und , vor allem, wird es Deine Seele befreien.
Irena Maria Scalise in la rebubblica vom 12.2.2011
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Das Original dieses Textes ist unter Neue Artikel/Rassegna Stampa
Händeringen hält einen nur davon ab, die Ärmel aufzukrempeln.